2001

 

Pressebericht vom 25.06.01

Bild anklicken für nähere Betrachtung:

-


Fanbericht von 06 / 01

AC/DC rollte über Hannover
Am schwülen Sonntagabend rollte der Donner: AC/DC über Hannover. Im Niedersachsenstadion stieg mit Angus Young & Co. die härteste Rock-Party des Jahres.

Der Mann trägt Bart und Zähne wie Lemmy Kilmister von Motörhead und kommt aus dem Fränkischen von einem Motorradclub namens Oil Of Olaf. Ehrfurcht gebietendes Wikingertotenschädelemblem auf der Weste, keine Plaudertasche. "Beschissen!" knurrt Olaf auf die Frage, wie er die Vorbands so findet.

Über Olafs Urteil herrscht geteilte Meinung: Die Kölner Brings murkeln rechtschaffen im Regen. "Ich hatte die Hosen gestrichen voll", grinst Sänger Peter Brings hinterher, "aber es sind keine Becher geflogen." Es gab sogar Applaus für das Led-Zep-artige "Bis ans Meer". Aber die Toleranzschwelle der harten AC/DC-Fans, zumal unter Alkohol, ist nun mal nicht niedrig, sie ist Null. In Hockenheim wurde sogar Angus Youngs Idol, der Blues-Veteran Buddy Guy, aus den ersten Reihen mit Bier beworfen.

Auch wegen der einstigen Hochgeschwindigkeitsrocker Megadeth hält sich offenbar nur eine verschwindend geringe Zahl von Leuten im Stadion auf. Die aber sind enthusiastisch. Dave Mustaine rockt auf seinen weißen, schwarzen, roten und silbrigen Flying-Vs, kassiert massig Beifall und verschwindet. Man tankt noch drei vier Bier, kaut an einer garantiert nicht an diesem Sonntag gebackenen Brezel. Und wartet auf des Abends letztes Leuchten.

Die Bühnentürme tragen überdimensionierte rote Käppis, aus denen diabolische Hörnchen wachsen. Später rollt der goldene, kingkonggroße Angus-Gigant aufs Feld, schlägt die Faust in den Himmel, Gitarre geradeaus. Doch jetzt noch nicht. Jetzt skandieren die Fans lauthals: "An-gus! An-gus!".

Dann rollt der Donner aus den Verstärkerwänden. Die trudelnde Gitarre von "Stiff Upper Lip" hebt an, und sofort zappelt die bisher eher träge Masse am Stromkabel. Brian Johnson fletscht Anzügliches ins Mikro: "Ich warn Euch, Ladies, ich schieß aus der Hüfte, ich bin geboren mit ner steifen ..."- süffisante Sekunde Pause - "...ner steifen Oberlippe!". Werwolf als Prahlhans. Dann "You shook me all night long". Wieder so eine rein aufs alte Rein-Raus-Spiel reduzierte Beziehungskiste. Wie sie auch der klassische Macho-Blues immer mal gern erzählt hat. 57.000 sind komplett kirre.

Niemand im Heavy Metal hat so viel Blues in seinen Songs wie AC/DC. Und niemand in der Rockgeschichte - außer Chuck Berry und den Stones vielleicht - hat solche herrlich einprägsamen Riffs. "Alle AC/DC-Songs sind ein Song", hat Eddie van Halen mal gesagt. "Aber - was ist das für ein Song!" Im Niedersachsenstadion gibts diesen Song als Greatest-Hits-Keule. Von "Thunderstruck" gehts zurück zu "Highway To Hell" gehts zurück zu "Dirty Deeds". Angus ist ein irrlichternder Kobold, ein Rumpelstilz mit Gitarre, der zwei gut Stunden hart dran ist, mitten entzwei zu springen, und begnadet gut die Leadgitarre gniedelt. Bruder Malcolm schlägt steingesichtig die Rhythmusgitarre, Phil Rudd am Schlagzeug und Cliff Williams am Bass besorgen den Groove. Es gibt den "Bad Boy Boogie" endlos und das zwölfminütige Bluesmonster "The Jack", jenes schleppende Miststück über eine Liebelei, die sich dem Sänger mit einem Tripper ins Glied und ins Gedächtnis gebrannt hat. Laut ist das wie in den Triebwerken eines Jets.

Das halbe "Back-In-Black"-Album wird abgespult. Die dicke AC/DC-Glocke läutet wieder Sturm zu "Hells Bells". Es ist wie immer, nur viel schöner, sollte nie vorbei sein. Und ist dann doch vorbei. Das Sprengkommando AC/DC bringt kurz vor Schluss noch "T.N.T." zur Detonation: "Cause I‘m T.N.T., watch me explode!" plärren die Massen ganz rockbesoffen. Alles tanzt, Olaf schläft. Bier verringert die Wachphasen. Bis "Whole Lotta Rosie" hatte er durchgehalten.

Finale mit "For Those About To Rock", die Kanonen schlagen los. Ein Feuerwerk als Salut und der Sturm ist vorüber, AC/DC haben das Stadion verlassen, ziehen zum nächsten. Sie sind immer noch eine Watsche mit der Gitarre, Musik mit Eiern dran. Nach Hause geht man wie auf Wolken. Im Ohr pfeifts.


VON MATTHIAS HALBIG, HANNOVER

--- zurück ---